ODER: „Was machten eigentlich die Lehrer*innen der Angelaschule am Zukunftstag?“
„Osnabrück lag vor Millionen von Jahren noch am Äquator, also etwa 7000 km weiter im Süden. Stimmt? Stimmt nicht? Drei, zwei, eins, los!“, fragte Prof. Dr. Diethelm Wahl die Kolleg*innen der Angelaschule. Nach diesem Kommando streckten alle entweder ein grünes oder ein rotes Kärtchen in die Höhe, um der Aussage aus dem Fach Erdkunde zuzustimmen oder sie abzulehnen. Weitere Quizfragen zur Entstehung der Alpen schlossen sich an.
Prof. Wahl führte am Zukunftstag, am 26. April, mit dem Lehrerkollegium der Angelaschule eine ganztägige Lehrerfortbildung zu kooperativen Arbeitsformen durch. Er war bis zu seiner Emeritierung Professor für Pädagogische Psychologie an der PH Weingarten und einer der Wegbereiter „kooperativen Unterrichts“.
Im Anschluss an insgesamt acht Quizfragen erläuterte er die didaktische Funktion dieser sogenannten „Ampelmethode“. Sie diene dazu, alle Schüler*innen zeitgleich zu aktivieren. Eine „strukturierte kognitive Aktivierung“ aller über möglichst lange Zeiträume sei das A und O des Unterrichtens. Alle müssten Zeit zum Nachdenken haben, brauchten dazu jedoch immer feste Strukturen. Die Ampelmethode sei in allen Unterrichtsfächern einzusetzen. Man knüpfe an das Vorwissen der Schüler*innen an, aktiviere damit alle etwa zu Beginn einer Unterrichtsreihe und sorge für inhaltliche Orientierung.
„Lernen ist ein hoch individueller Prozess“, betonte Wahl. Lernvoraussetzungen und Lerntempo auch von Gymnasiasten seien sehr unterschiedlich. Ergebnisse empirischer Untersuchungen belegten, dass leistungsstarke Schüler*innen in der SEK I etwa drei Mal schneller arbeiteten als etwaige leistungsschwächere Mitschüler*innen, womit sich aufsteigend von Jahrgang zu Jahrgang die Unterschiede vergrößerten. Wahl betonte, je mehr Vorwissen vorhanden sei, desto erfolgreicher seien die Schüler*innen und desto größer sei ihre Lernmotivation, womit in der Folge ihr Abstand zu ihren Altersgenossen zusätzlich weiter wachse.
Wahl stellte dem Kollegium der Angelaschule das „Sandwich-Prinzip“ als eine Möglichkeit vor, das Lernen zu individualisieren und zu intensivieren. Ein Lehrervortrag könne etwa eine Unterrichtsstunde oder eine Unterrichtseinheit eröffnen. Auf einen knappen Austausch in Partnerarbeit folge eine „strukturierte kognitive Aktivierung“, etwa einen Text mittels Mindmap, Stichwörtern usw. in Einzelarbeit zu erarbeiten, worauf wieder entweder eine „Vergewisserungsphase“ oder eine vertiefende Aufgabenstellung folge. Darauf könne eine Plenumsphase folgen, in der die Ergebnisse mit einer Präsentation oder mit einem Unterrichtsgespräch vorgestellt werden könnten. Es könnten aber auch weitere Phasen der Aneignung von „Expertenwissen“ und Austauschphasen stattfinden. Das Unterrichtsgespräch und die Austauschphasen sollten zeitlich in einem ausgeglichenen Verhältnis stehen. Wichtig sei, immer wieder alle zu mischen, damit Leistungsstarke und Leistungsschwächere in den Austausch kämen. Schüler*innen brauchten „gute“ Fragen, um immer wieder an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit zu kommen. Gleichzeitig müsse man den Unterricht verlangsamen, so dass alle sich Wissen aneignen und sich etwa während einer „Murmelphase“ über das zuvor Erarbeitete austauschen könnten.
„Lassen Sie die Schüler*innen selbst entscheiden, wie sie sich Dinge strukturiert notieren. Bestehen Sie jedoch darauf, dass jeder für sich alleine arbeitet und die Überlegungen und Ergebnisse aufschreibt!“, appellierte Wahl an das Kollegium. In diesem Zusammenhang verwies er auf weitere Faktoren, die nach gegenwärtigem Forschungsstand den Lernerfolg maßgeblich beeinflussen. Aufmerksamkeit und die Anstrengungsbereitschaft wirkten neben Vorwissen und Lerntempo auf den Lernerfolg. Während des Unterrichts schweiften Schüler*innen gedanklich immer wieder ab. Empirische Untersuchungen belegten, dass sie etwa 40% der Zeit gedanklich nicht im Klassenzimmer seien, jedoch gelernt hätten, einen interessierten Gesichtsausdruck aufzusetzen. Auch gebe es keine „faulen Schüler*innen“, sondern einen „kalkulierten Anstrengungsverzicht“. Letztendlich gehe es darum, die Unterrichteten aus einer rein rezeptiven, passiven Haltung in eine aktive, lernbereite Haltung zu führen. Das „Wechselseitige Lernen und Lehren“ (WELL) werde seit über 20 Jahren wissenschaftlich erforscht und immer wieder evaluiert. Es hole die Schüler*innen aus einer Passivität und lasse sie innerlich wachsen. Persönlichkeitsstärkung sei ein entscheidendes Ziel des Unterrichts. Das positive Selbstkonzept und ein gutes Selbstwertgefühl jedes Einzelnen seien zu stärken und sie entschieden über den Lernerfolg.
Übrigens: Osnabrück lag tatsächlich vor 250 Millionen Jahren am Äquator und ist seitdem in den Norden gewandert. Fossilienfunde am Schölerberg und am Piesberg bestätigen dieses.