Nach der Podiumsdiskussion zur letzten Bundestagswahl konnten die aktuellen Direktkandidierenden aus Osnabrück am Donnerstag (09.01.25) ihre Ziele und Maßnahmen für die am 23.02. stattfindende Bundestagswahl in der Angelaschule präsentieren – diesmal nicht nur für Schüler:innen, sondern die breite Öffentlichkeit. Insgesamt kamen weit mehr als 300 Besucher:innen.
Ludger Abeln hat als erfahrener Moderator die Diskussionsrunde geleitet. Vorab bekamen er und die Referierenden eine Liste mit in den Politikkursen der Oberstufe gesammelten Fragen. So sollte sichergestellt werden, dass die Fragen der Schüler:innen im Fokus der Debatte stehen.
Eingeladen zur Podiumsdiskussion wurden alle Parteien, von denen ein Einzug in den neuen Bundestag als (in Teilen) wahrscheinlich angesehen wurde. Für die Partei Die LINKE ließ sich die Direktkandidatin Heidi Reichinnek von dem ehrenamtlichen Ratsmitglied Nicole Emektas vertreten. Das BWS schickte keine Vertretung. Ansonsten diskutierten folgende Direktkandidierenden für Osnabrück: Thomas Vaupel für die SPD, Mathias Middelberg für die CDU, Luca Wirkus für die GRÜNEN, Daniel Jutzi für die FDP, und Florian Meyer für die AfD.
In dem ersten Teil der Podiumsdiskussion wurden den Kandidierenden Fragen der Schüler:innen gestellt. Hinsichtlich der Bildungspolitik sahen alle Partien Reformen des Bildungssystems als notwendig an. Vaupel, Wirkus und Emektas befürworteten in dem Kontext eine stärkere Finanzierung von Bundesseite, während Middelberg eine solche Mischfinanzierung klar ablehnte. Als das von der Ampel beschlossene Gesetz zur Legalisierung von Cannabis zur Sprache kam, waren sich die Vertreter:innen der Parteien weitestgehend einig, dass man zunächst evaluieren sollte, „wie es gewirkt hat“ – wie es Vaupel so schön zweideutig formulierte.
Jutzi äußerte sich entgegen der Parteilinie gegen die Legalisierung. Meyer sagte, die AfD wolle die Legalisierung zurücknehmen, er selbst sehe es „50:50“. Middelberg brachte anschließend auf den Punkt, dass die zu hohen Steuern, zu hohen Energiepreise, zu hohe Bürokratie und die zu hohen Arbeitskosten den deutschen Standort für Unternehmen unattraktiv machten, worauf sich alle einigen konnten, nur schlugen sie unterschiedliche Wege aus der wirtschaftlichen Krise vor: Wirkus und Emektas forderten, dass die Schuldenbremse reformiert werden solle, da der Bund mehr Investitionen tätigen müsse. Und Vaupel fügte hinzu, dass Deutschland eine geringe Schuldenquote habe. Middelberg und Jutzi wollten an der Schuldenbremse festhalten und durch Steuersenkungen private und unternehmerische Investitionen ankurbeln. Vaupel brachte die Ergebnisse von Stefan Bach an, der analysiert hat, dass mehr als die Hälfte der geplanten Steuerentlastungen aus den Wahlprogrammen von CDU und FDP den einkommensstärksten 10 Prozent zugutekämen. Zudem sahen Middelberg, Jutzi und AfD es als Fehler an, dass die Atomkraftwerke in Deutschland abgeschafft wurden und somit die Energiekosten stiegen. Vaupel und Wirkus stellten sich in diesem Punkt hinter die Ampel und verwiesen darauf, dass in der aktuellen Legislaturperiode der Ausbau erneuerbare Energien vergleichsweise schnell vorangekommen sei und dies weiter forciert werden solle. Man war sich aber weitestgehend einig darüber, dass der Netzausbau schnell vorangetrieben werden solle. Anschließend verließ Herr Middelberg die Veranstaltung vor der zweiten Runde, um zur CDU-Wahlkampfauftaktveranstaltung zu gehen.
Nach einer Pause ging es um Verteidigungspolitik und die Frage, ob die Bundeswehr verstärkt finanziell unterstützt werden solle, um verteidigungsfähig sein zu können. Vaupel, Wirkus und Jutzi sprachen sich dafür aus, Emektas dagegen. Alle waren sich einig, dass Diplomatie oberste Priorität bei dem Lösen von Konflikten habe. Bezüglich einer Wehrpflicht positionierte sich Meyer klar dafür, Vaupel befürwortete den von Verteidigungsminister Pistorius vorgeschlagenen Wehrdienst und Emektas sprach sich klar dagegen aus. Bei Thema innere Sicherheit legten Vaupel, Emektas und Wirkus zunächst den Schwerpunkt auf Gewalt gegen Frauen. Meyer war der Meinung, dass es hinsichtlich der Sicherheitslage keine weiteren Gesetze brauche, sondern die bestehenden nur besser umgesetzt werden sollten.
Auf die Publikumsfrage hin zur Integration von Geflüchteten waren sich alle einig, dass eine Integration gut über Arbeit gelingen könne und Wirkus und Emektas befürworteten eine leichtere Anerkennung von Abschlüssen aus dem Ausland – Jutzi stand dem kritisch gegenüber. Vaupel lobte das Fachkräfteeinwanderungsgesetz der Ampel-Regierung, welches das Arbeiten für Geflüchtete erleichtere. Meyer bezog sich auf den sieben Punkte Plan zur Remigration und sagte, Flüchtlinge, die Deutsch lernen und in Arbeit seien, sollten nicht abgeschoben werden. Vaupel wies zurecht darauf hin, dass das Wort „Remigration“ (Unwort des Jahres 2023) eine Chiffre aus dem rechtspopulistischen und -extremen Diskurs ist. Alle sahen eine doppelte Staatsbürgerschaft als sinnvoll an, außer Meyer, der dafür war, dass man nur eine hat. Auf eine Nachfrage zu Steuergerechtigkeit schlug Meyer vor, die Erbschaftssteuer für alle zu erlassen. Vaupel sagte, die Verfestigung von Reichtum in der Gesellschaft sei ein Problem, das seine Partei angehen wolle. Wirkus stimmte ihm zu und meinte, dass starke Schultern im Steuersystem mehr tragen müssten. Bezüglich der Probleme auf dem Wohnungsmarkt waren sich alle weitestgehend einig darin, dass mehr gebaut werden solle. Jutzi wolle dafür die Bau- und Baunebenkosten senken. Vaupel wollte, dass Anforderungen fürs Bauen gesenkt werden. Wirkus schlug vor, Büroraum in Wohnraum umzuwandeln und die Mietpreisbremse zu verlängern und ggf. einen staatlichen Mietendeckel einzuführen. Für letzteres sprach sich auch Emektas aus. Meyer meinte, die Menschen könnten es sich nicht leisten zu bauen. Dafür müssten die Gehälter und dafür wiederum die Wirtschaft gestärkt werden. Dies gelinge durch Steuersenkungen. Konkrete Maßnahmen für den Wohnungsmarkt nannte er nicht. Zuletzt wurde aus dem Publikum der Bogen zum Palästina-Konflikt gespannt und die deutsche Haltung gegenüber Israels Vorgehen hinterfragt. Jutzi wies auf die Komplexität dieses Konfliktes hin, dass es Deutschlands Verantwortung sei an Israels Seite zu stehen und dass er sich nicht anmaße, sich zu anderen Aspekten hinsichtlich des israelischen Vorgehens zu äußern. Wirkus und Vaupel stimmten hinsichtlich der deutschen Solidarität gegenüber Israel zu und positionierten sich beide für eine Zweistaatenlösung, zu der man Israel hinbewegen wolle.
Nach beinahe drei Stunden war die Veranstaltung vorbei. Anschließend suchten einzelne Besucher:innen noch den Kontakt zu den Politiker:innen oder fielen teils in private Diskussionen, die hoffentlich bis zur Bundestagswahl und darüber hinaus noch anhalten. Hoffentlich fällt den Schüler:innen ihre Wahl zur Bundestagswahl oder der Juniorwahl an der Angelaschule durch die Podiumsdiskussion etwas leichter.
Siehe auch den Beitrag zum Faktencheck zu geäußerten Aussagen bei der Podiumsdiskussion:
Bereits erschienene Artikel in der NOZ zu der Veranstaltung:
https://www.noz.de/lokales/osnabrueck/artikel/bundestagswahl-2025-osnabruecker-kandidaten-vor-schuelern-48209574 und https://www.noz.de/lokales/osnabrueck/artikel/bundestagswahl-2025-osnabruecker-kandidaten-treffen-aufeinander-48206181
und der Hasepost:https://www.hasepost.de/von-afd-bis-linkspartei-podiumsdiskussion-zur-bundestagswahl-in-der-angelaschule-552990/